Traudl
Traudls Leben ist voller Gerüche: die Hecken riechen, die Sträucher riechen. Riechen tut auch die Wäsche, vom Waschpulver. Auch die Aluminiumstreifen, die sie im familiengeführten Friseursalon zurechtschneidet, riechen.
Sie lebt noch immer in dem Haus, in dem sie geboren worden ist. Sie erinnert sich an den Pferdestall und die Schweine, die hier wühlten.
Ihr Sohn nimmt sie oft mit auf Reisen. "Ich komme gar nicht zur Gartenarbeit," flüstert Traudl, weil sie entweder im Friseursalon mitarbeiten oder mit ihrem Sohn auf Tour muss.
Als sie mit den leuchtenden Augen eines kleinen Mädchens von früher erzählt, greift ihre Hand zur Zigarettenschachtel in der linken Brusttasche. Sie raucht seit ihrem 12. Lebensjahr und ist noch kerngesund. "Mein Sohn, der ist strenger als mein Mann," flüstert sie, und zeigt uns ihr Zigarettenversteck.
Traudl erzählt von der Einsamkeit, seitdem ihr Mann gestorben ist. Sie waren Tag und Nacht zusammen. Erzählt, dass er wegen ihr vom Schreiner zum Friseur umgeschult hat. "Ein lieber Mann", sagt sie, "wir haben uns immer gut vertragen". Sie weiss nicht mehr genau, wann er gestorben ist, so ungefähr vor einem Jahr. Die Einsamkeit ist schlimm. In solchen Momenten legt sich dann auf ihr Bett und schaut in Richtung Odenwald. Das tröstet sie.
"Die Einsamkeit," sagt sie "verspannt die Schultern. Da ist es wichtig, Gymnastik zu machen."
Um 12 gibt es Mittagessen. "Das ist ganz wichtig", sagt sie.
Willi, 97
Willi wurde 97 Jahre alt.
Auf seine hohes Alter angesprochen, hatte er uns gesagt: "Ich kann nichts dafür."
Und: "Ich habe nie Schmerzen gehabt, das ist ein Glück."
Dement war er, aber das wurde besser, als seine Tochter ihm die vielen Medikamente abgesetzt hatte. Sie sagte aber auch: "Mit 97 darf er auch ein bisschen dement sein."
Willi trainierte bis ins hohe Alter jeden Tag 15 Minuten auf seinem Heimfahrrad, ging im Sommer jeden Tag im Badesee baden und Freitag abends mit seinen Kumpels in die Sauna.
Willi erzählte uns vom Krieg. Vom total zerstörten Mannheim. „Der Hitler,“ sagte Willi „hat ja gesagt, in 10 Jahren werdet ihr Deutschland nicht wiedererkennen und ja, das stimmte ja auch."
Er erzählt von Schüssen zwischen Russen und Deutschen. Darüber, dass sie doch alle Jungs gewesen waren, die sich eigentlich mochten.
Er berichtet davon vom Einsatz im Afrikakorps, und wie er als Kriegsgefangener erst nach Texas und dann nach England kam.
"Wir hatten Glück, dass wir arbeiten durften. Das Schlimmste ist das Nichtstun," sagte er.
Sein Gruß an die jungen Leute war: „Ich wünsche Dir ein Leben in Frieden."
Bis zu seinem friedlichen Tod konnte Willi zuhause leben, betreut von einer polnischen Pflegerin und umsorgt von seinen Kindern. Sein Bett stand Im Wohnzimmer, so konnte er in den Garten blicken und musste keine Treppen mehr laufen.