Erika, 76
Erika fuhr zum Arbeiten von Edingen-Neckarhausen nach Heidelberg. Die Fahrt dauerte 2 Stunden in eine Richtung.
Bei Elefantenschuhen fertigte sie Schuhe für Kinder. „Das waren gute Schuhe.“
Ihre Tochter war damals klein. Um 5 Uhr stand Erika auf. Erikas Mutter passte auf das Kind auf.
„Ich habe meine Mutter sehr geliebt“ sagt Erika.
Erika ist in Salzburg geboren. Dort hat sie auch die ersten Jahre ihres Lebens verbracht.
Dann zog die Familie nach Edingen-Neckarhausen.
Erika fehlten die Berge. Deshalb ging ihr Mann mit ihr in den Odenwald.
"Das waren ja auch schöne Berge."
Sie war, so erzählt sie, als junge Frau sehr hübsch. Einmal lief sie in ihrer Fabrik einen Gang entlang. Dort saßen viele Männer. „Da hat aber einer nach dem anderen den Kopf verdreht.“
Unter den Männern war auch ihr zukünftiger Mann. Als sie wieder einmal den Gang entlang, an den vielen Männern vorbeilief, da hat er mit den Fingern ganz laut gepfiffen. „Dann waren alle anderen weg. Damals ist man ja noch zur Mutter gegangen und hat gefragt, heute ist das ja anders. Also ist er zu meiner Mutter und hat gefragt. Er war Italiener. Es war eine glückliche Liebe.“
Erika und ihr Mann waren oft in Italien, sie liebte die Sonne, die Menschen und das Essen.
Herr von der Berg
10 Jahre war Herr von der Berg alt, als er zu den Jungpionieren musste.
Das war 1942 in Köln.
Es gab zwei Uniformen: eine für den Sommer und eine für den Winter.
Die Nationalsozialisten forderten ihn auf, bestimmte Leute ansprechen: sie sollten sich in einer Gastwirtschaft melden.
Erst Jahre später hat er sich gefragt, ob es Juden waren, die er ungeahnt ansprechen musste.
Er erinnert sich, dass er im Treppenhaus einer jüdischen Nachbarin begegnete. Sie sagte fassungslos: ich bin so eine kölsche Frau wie ihr.
Er erinnert sich noch, an die Zeit, als Köln noch nicht ausgebombt war.
Die Mutter floh im Krieg mit den Kindern in den Schwarzwald, zur Schwester.
Dort blieben sie ein paar Monate, die Mutter arbeitete in einer Fabrik.
Herr von der Berg ist Stadtmensch. Auf dem Land wollte er nicht bleiben, das wusste er schon als kleiner Junge.
Eines Tages kam ein Telegram vom Vater.
Köln sei ausgebombt.
Herr von der Berg bekam einen Lachflash und schlug seinen Kopf gegen einen Baum.
Er dachte: „Jetzt müssen wir hier bleiben“.
Sie sind dann doch ins zerbombte Köln zurück.
Die Familie ging fringsen: mit dem Vater holten sie Holzdielen aus den zerbombten Häusern. Das hatte der Bischof Frings den Menschen erlaubt. Zum Heizen. Und an den Bahndämmen haben sie Holzkohlen gekohlt.
Sie zogen in eine große Wohnung, die sie mit Anderen teilen mussten.
Die Fenster waren noch viele Jahre mit Pappe zugeklebt, einfach weil es keine Fenster gab.
Später wurde Herr von Berg Teppichhändler. In seiner Wohnung hängen und liegen wunderschöne kostbare Teppiche.
9 Monate im Jahr war er im Nahen Osten unterwegs, lebte auch in Ägypten.
Er sagt am Ende unseres Nachmittags:
„Euer Besuch war wie ein Jahrhundertag“
Gerhard, 76
Gerhard achtet sehr auf sein Aussehen: er trägt fast immer Sakko, die Haare sind akurat gekämmt.
Im Pflegeheim kümmert er sich um Andere: geht einkaufen für Bewohner, die nicht mehr laufen können. Er ist auch das Sprachrohr für alle Heimbewohner.
Gerhard schreibt Gedichte auf seiner Schreibmaschine. Er liest uns vor. Über den Frühling, den Sommer, den Winter, die Schule.
Seine Gedichte wurden auch schon vertont. Er spielt uns die Kassette vor.
„Früher war ich Anlagenbauer für elektronische Schaltanlagen im Mannheimer Grosskraftwerk.“
Gerhard war zwei Wochen in seinem kleinen Zimmer in Quarantäne. Wegen Corona.
„Ich hatte meinen Fernseher,“ sagte er, zufrieden.
Seine Tochter aus 2. Ehe hat den Kontakt mit ihm abgebrochen. Er hat sie einmal auf einer Beeerdigung gesehen. „Man muss das Leben nehmen, wie es kommt“ sagt er ohne Bitternis.
Gerhard erzählt: Seine zweite Ehefrau hat ihn nach 20 Jahren vor dem Krankenhaus abgesetzt. Er nähme Drogen und müsse ins Heim, sagte sie den Ärzten. Im Krankenhaus wurden bei der Blutuntersuchung tatsächlich Drogen festgestellt.
„Ich habe aber nie welche genommen, auch keine Medikamente“ betont er.
Vom Krankenhaus kam Gerhard direkt ins Pflegeheim. Er konnte nicht mehr zurück nach hause, die Frau hatte die Wohnung aufgelöst.
Katharina, 93
Katharina, 93
Katharina wurde 1929 im Böhmerwald geboren.
Ihre Brüder sind alle im Krieg gefallen. „Die waren ja noch so jung,“ sagt sie.
Nach dem Krieg wurde sie zwangsausgesiedelt. In der Rhön lernte sie ihren Mann beim Tanzkurs kennen. Von dort zog das Paar nach Heilbronn, wo auch die Tochter zur Welt kam.
„Ich war Näherin, und habe ganz wenig verdient.“
In ihrem schönen deutsch- böhmischen Dialekt erzählt sie vom Baumpflanzen, damals, im Wald, von den grossen Christbäumen, vom breiten Weg, der hinter der Schule zum Wald führte, vom Schnee. Sie erzählt von Stecklingen, „da müssen Sie den Stock in die Erde stecken und es wird eine Pflanze draus“.
Die Julia, ihre Enkelin, die ist ihr ganz wichtig. Julias Hochzeitsfotos liegen auf dem Nachtisch neben ihrem Bett.
Die Damenschneiderin
Wir nennen sie: die Damenschneiderin. Sie lebt jetzt in einer Seniorenresidenz in Heidelberg.
Früher war sie Damenschneiderin in Waldhilsbach.
„Ich habe es geliebt“ sagt sie.
Blumen will sie keine von uns.
"Ich bekomme von meinem Mann so viele Blumen, ich nehme von niemandem welche an.“
„Ich dachte, Sie kommen und fotografieren in meinem Zimmer was, aber nicht mich“ sagt sie, als wir nach dem Fototermin wieder einpacken, „aber es hat mir Spass gemacht.“
Lisa, 82
Lisa kommt aus dem Rheinland und lebt jetzt in der Seniorenresidenz in Heidelberg. Dort ist sie näher bei ihrer Tochter.
Lisa war früher mit Leidenschaft und Liebe Grundschullehrerin. „Bei mir haben die Kinder sogar was gelernt“, sagt sie. Lisa ist ein fröhlicher Mensch, sie lacht, sie singt Kölsche Lieder. „Ein Segen, dass es diese Einrichtung gibt“, fährt sie fort, „meine Mutter lebte
ganz alleine in einem großen Haus. Als ich ihr vorschlug, hierher zu ziehen, hat sie ohne Murren tatsächlich alles aufgeben, ist zum Notar und hat unterschrieben.“ Lisas Mann ist eines Tages vor ihren Augen gestorben. Einfach umgefallen. „Der Mensch gewöhnt sich an alles“, sagt Lisa. In der Stadtresidenz hat sie ein Zimmer mit Blick auf einen Park. Es ist ein kleines Wohlfühlzimmer: Der Teppich und die schönen Bilder an den Wänden zeugen von einem guten Geschmack und von einem einstmals wunderschön eingerichteten Haus.
Hermine, 97
Hermine spricht mit Wiener Schmäh und trägt ein wunderschönes schwarzes Oberteil mit gestickten Blumen.
Hermine war in höheren Wiener Kreisen unterwegs. Sie kannte persönlich Peter Alexander, Hans Moser, Marika Röck und Paul Hörbiger.
„Der Paul Hörbiger,“ erzählt sie, „der hat immer allen die Hand geschüttelt. Ein Netter! Der Hans Moser aber, der hat auf der Straße niemandem die Hand gereicht. Und der Peter Alexander, der hat mir mal geholfen, meinen Sohn auf den Schneehaufen zu stellen.“
Hermine erzählt uns, dass die Enkel sie jeden Tag besuchen. Das ist ihr fast ein bisschen viel. Ihre Betreuerin schüttelt verneinend den Kopf. Aber Enkel in der Phantasie – ist das nicht auch wie eine Wirklichkeit?
Inge, 80
Inge, das muss man sagen, ist schon eine coole Braut. Sie wohnt noch alleine, im betreuten Wohnen, direkt über dem Pflegeheim.
Inge ist leicht dementiell erkrankt.
Sie war früher Lehrerin: Sport und Musik.
Als wir reinkommen, sagt sie: "Wenn doch immer so viel los wäre!" Sie spielt uns auf dem Klavier vor.
Sie freut sich über ihre schöne, helle Wohnung. An den Schränken hängen Zettel.
"Ich bin nur vergesslich," sagt sie, "es gibt Schlimmeres. Ich habe keine Schmerzen."
Sie mag den Geruch von Zigarettenrauch. Das erinnert sie an ihren rauchenden Vater.
Deshalb findet sie es toll, sich mit einer Zigarette fotografieren zu lassen.
Einen Tag später hat sie uns zwar vergessen, aber sie erinnert sich daran, dass viel los war.
Wochen später kommt zu unserer Ausstellung in Heidelberg, steht vor ihrem Foto und sagt: "Mir gefällt alles daran."
Roswitha, 81
Roswitha kommt direkt aus dem Pflegeheim in Mannheim ins Fotostudio.
Sie ist endlich geimpft, endlich darf sie wieder raus. An den Händen ihres Sohnes und Schwiegersohnes kommt sie in einer stylischen Jacke, die wir auch sofort tragen würden. Wir stellen uns vor, Roswitha geht auf die Toilette. Als sie zurückkommt, fragt sie uns, wer wir sind.
Im Studio fühlt sie sich wohl, ihr gefällt das Sofa. Ihr Sohn erzählt, dass es nicht einfach ist, mit der Erkrankung.
Als sie geht, sagt sie: "Kommen Sie ganz bald wieder." Sie zeigt aber auch auf ihren Kopf. "Dort drin, dort ist alles voller Traurigkeit."
Beim Fotoshooting aber, da ging sie richtig ab: The King, Rock´n Roll!
Dora, 86
Dora liebt Zahlen, und macht die beste Brühler Rolle der Welt.
Brühler Rolle?
Das ist eine Rolle mit Schinken und Käse, warm aus dem Ofen und der Renner auf den Geburtstagsfeiern ihrer Tochter.
Mit ihrem Mann hatte sie früher eine Drogerie - Filmentwicklung, Fotografie...ihre Schubladen sind voll mit alten Analogkameras, auf den Schränken stehen Glasflaschen mit Beschriftungen.
Sieglinde, 86
Sieglinde lebt wegen ihrer leichten Demenz im Pflegeheim. Sie sagt, da gefällt es ihr nicht. Samstagmittag besucht sie immer ihre Tochter, weil da das Essen besser schmeckt.
Vor ihr auf dem Tisch liegen alte Fotos. Drei kleine Kinder stehen in Reihe. Auf dem anderen Foto sitzen die Drillinge im Kinderwagen.
"Meine Schwester," erzählt Sieglinde, "hat mir immer gesagt, was ich anziehen soll. Und es waren immer Sachen, die mir nicht gestanden haben."
Mit drei Jahren hatte sie Polio. Als ihre Mutter sie aus dem Krankenhaus holte, war ihr linkes Bein gelähmt.
Eine Bekannte ihrer Mutter hat sie dann mit Quendel geheilt. Quendel, so finden wir heraus, ist wilder Thymian. "Sie hat mich in Quendel baden lassen, das Badewasser war braun, und heute noch bade ich in Quendelwasser und trinke Quendelschnaps!"
Sieglinde hatte früher eine Gastwirtschaft gepachtet und nächtelang Bier gezapft. "Bis in die frühen Morgenstunden und oft ging es morgens wieder los," erzählt sie.
Heute hat sie starke Schmerzen, sie nimmt starke Schmerzmittel. "Und dann kam noch das Parkinson."
Aber in ihren Augen und in ihrem Gesicht, dort ist der starke Ausdruck wie von einer Schauspielerin und der Blick des jungen Mädchens.
Otmar, 80
Otmar ist mit 80 Jahren noch körperlich und geistig topfit.
Er besaß früher zwei Hunde, den Fitz und den Max. Er erzählt uns davon, wie er Jahre lang morgens, vor der Arbeit, mit seinen Hunden in den Wald gegangen ist. Er erzählt von seinen Sichtungen mit Rehen und Wildschweinen.
Auf dem Foto sieht er aus wie ein Jäger, und er hat die Amaryllis geschultert wie ein erlegtes Tier.
Birgid, 75
Als wir Birgid davon erzählen, dass wir Fotos von Menschen mit und ohne Demenz machen, erleben wir starke Betroffenheit.
Birgid ist 75 Jahre alt, in keinster Weise dement und möchte auf keinen Fall in diesem Kontext erwähnt werden.
Wir erklären ihr, dass uns Inklusion wichtig ist, und wir keine explizite Trennung zwischen Fotomodellen mit und ohne Demenz machen möchten. Wir erfahren, wie viel Angst innerhalb der Gesellschaft vor dem Thema Demenz herrscht. Angst nicht nur vor dem Verlust des Gedächtnisses, sondern auch vor der damit verbundenen drohenden Abschiebung in ein Pflegeheim.
Birgid entscheidet sich dann, als Unterstützerin für unser Projekt mitzumachen. Als mutiges Gesicht dafür, das Thema Demenz in die Gesellschaft zu tragen.
Lilo, 97
Lilo ist eine vitale waschechte Brandenburgerin. Sie hat drei Kinder alleine durch den Krieg gebracht und ist mit ihnen nach dem Krieg in die Westzone geflüchtet. Sie hat viele Jahre mit ihren Kindern in Flüchtlingslagern verbracht und erzählt von Enge, fehlender Privatsphäre und Kleidern, die gestohlen wurden.
Lilo ist dann mit ihren Kindern in Heidelberg gelandet und geblieben.
Lilo liebt Kuchen, Süßigkeiten und deftiges Essen. Sie hat ihr ganzes Leben viel Kaffee getrunken und Wurst gegessen.
Manchmal fällt sie um. Kürzlich ist sie rückwärts eine Rolltreppe runterfallen und kam ins Krankenhaus. Die Ärzte haben sich versammelt und wieder mal das Wunder ihrer robusten Knochen bestaunt. Nichts war gebrochen.
Ihr Händedruck ist so stark wie der eines Waldarbeiters, jeden Tag macht sie eisern ihre Gymnastik und ist körperlich und geistig fit.
Traudl, 83
Traudls Leben ist voller Gerüche: Die Hecken riechen, die Sträucher riechen. Auch die Wäsche riecht nach Waschpulver. Auch die Aluminiumstreifen, die sie im familiengeführten Friseursalon zurechtschneidet, riechen. Deshalb hat sie eines Tages alles aus dem Fenster geworfen. Es ging ihr schlecht – Psychose. „Das war eine harte Zeit“, sagt ihr Sohn. Heute ist sie dank guter Medikamente richtig gut drauf.
Sie lebt noch immer in dem Haus, in dem sie geboren worden ist. Sie erinnert sich an den Pferdestall und die Schweine, die hier wühlten.
Ihr Sohn nimmt sie oft mit auf Reisen. "Ich komme gar nicht zur Gartenarbeit," flüstert Traudl, weil sie entweder im Friseursalon mitarbeiten oder mit ihrem Sohn auf Tour muss. „Meine Mutter ist für mich wie ein Fitnessgerät“ sagt ihr Sohn, „eine tägliche Übung.“ Er streichelt seine Mutter über die Wange und sagt liebevoll, „das halten wir beide zusammen durch.“
Als Traudl mit den leuchtenden Augen eines kleinen Mädchens von früher erzählt, greift ihre Hand zur Zigarettenschachtel in der linken Brusttasche. Sie raucht seit ihrem 12. Lebensjahr und ist körperlich noch kerngesund. "Mein Sohn, der ist strenger als mein Mann," flüstert sie, und zeigt uns ihr Zigarettenversteck.
Traudl erzählt von der Einsamkeit, seitdem ihr Mann gestorben ist.
"Die Einsamkeit," sagt sie "verspannt die Schultern. Da ist es wichtig, Gymnastik zu machen."
Um 12 gibt es Mittagessen. "Das ist ganz wichtig", sagt sie.
Willi, 97
Willi wurde 97 Jahre alt.
Auf seine hohes Alter angesprochen, hatte er uns gesagt: "Ich kann nichts dafür."
Und: "Ich habe nie Schmerzen gehabt, das ist ein Glück."
Seine Demenz wurde besser, als seine Tochter ihm die vielen Medikamente abgesetzt hatte. Sie sagte aber auch: "Mit 97 darf er auch ein bisschen dement sein."
Mit Willi mussten wir ganz schnell sein. Wir platzierten ihn vor unserem Hintergrund, wollten gerade anfangen zu überlegen, wie das Foto zu machen sei, da wollte er nicht mehr. Wir hatten 2 Auslöser Zeit. Nach einer Weile wollte er wieder, wir wieder schnell dran..)
Willi trainierte bis ins hohe Alter jeden Tag 15 Minuten auf seinem Heimfahrrad, ging im Sommer jeden Tag im Badesee baden und Freitag abends mit seinen Kumpels in die Sauna.
Willi erzählte uns vom Krieg. Vom total zerstörten Mannheim. „Der Hitler,“ sagte Willi „hat ja gesagt, in 10 Jahren werdet ihr Deutschland nicht wiedererkennen und ja, das stimmte ja auch."
Er erzählt von Schüssen zwischen Russen und Deutschen. Darüber, dass sie doch alle Jungs gewesen waren, die sich eigentlich mochten.
Er berichtet davon vom Einsatz im Afrikakorps, und wie er als Kriegsgefangener erst nach Texas und dann nach England kam.
"Wir hatten Glück, dass wir arbeiten durften. Das Schlimmste ist das Nichtstun," sagte er.
Sein Gruß an die jungen Leute war: „Ich wünsche Dir ein Leben in Frieden."
Bis zu seinem friedlichen Tod konnte Willi zuhause leben, betreut von einer polnischen Pflegerin und umsorgt von seinen Kindern. Sein Bett stand Im Wohnzimmer, so konnte er in den Garten blicken und musste keine Treppen mehr laufen.
Gudrun, 73
In Heidelberg, erzählt Gudrun, war früher richtig viel los. Live Jazzbars, Hippies!
Als die Kinder kamen, bauten sie ein Haus mit schönem Garten.
Gudrun hat eine tolle Körperhaltung, macht Yoga, und ist topfit.
Sie war Sportlehrerin und gibt Gymanstikkurse im Seniorenheim.
Ihr Sohn wohnt im gleichen Haus wie sie und ihr Mann.
Joseph, 93
Joseph ist gebürtiger Frankfurter. Er kannte Frankfurt am Main noch vor dem Krieg und zeigt uns Postkarten von dieser einstmals so schönen Stadt.
Er erzählt viel vom Krieg. Sachlich, neutral. Er musste als junge Mann an die Ostfront: Marienburg, Ostpreussen, Strassenkrieg. Das war das Schlimmste, erzählt Joseph, da wusste man gar nicht was einen erwartet. Gleich beim ersten Einsatz hörten sie die Russen.
In Frankfurt zerfloss der Asphalt durch die Phosphorbomben, die Frauen und Kinder blieben darin stecken, als sie aus den zerbombten Häusern flohen und verbrannten.
Nach dem Krieg war Joseph lange in der Modebranche selbständig. Bereiste Deutschland als Vertreter, bis er 83 Jahre alt war. Er würde jetzt gerne noch arbeiten.
Heute lebt Joseph alleine in seiner Wohnung in Frankfurt a. Main. Manchmal fährt er an den Main um ein Bierchen zu trinken. Im Wohnzimmer hängt ein Bild mit einem Haus. Er zaubert sich mit einer Taschenlampe Licht auf ein Fenster, so dass es hell erscheint. So zaubert er sich einen Nachbarn nach hause, das ist seine Arznei gegen die Einsamkeit.
Joseph liebt Skatspielen, Schach und Bier. Kochen ist seine Leidenschaft, die ganze Wohnung ist voller Kochbücher.
Auf seinem Balkon pflegt er seine Blumen und die Tomatenpflanzen.
Marlies, 72
Marlies Weg führte aus der Gegend von Rostock über Berlin in die Pfalz.
Zu Besuch in Heidelberg entschloss sie sich, in dieser schönen Stadt bleiben zu wollen.
Das Schicksal unterstütze sie.
Am Abend, im Tanzlokal Pferdestall, lernte sie den Handwerksmeister Willi kennen.
Marlies sagte dem Willi, sie sei schon verliebt in Pirmasenz.
Und Willi sagte ihr, sie und er sollen am gleichen Tag dem anderen einen Brief schreiben, darin enthalten, was sie sich wünschten von einer Beziehung. Aber egal, was sie schreiben würde, er würde an ihrer Haustür in Pirmasenz stehen und sie holen.
Das Paar feierte 2018 Goldene Hochzeit.
Marlies schreibt Bücher: u.a.einen Kriminalroman für Frauen, Geschichten über ihr geliebtes Heidelberg und ein Buch über den Abschied von ihrer Tochter.
Ihre Liebe zu den Pflanzen drückt sich in ihren Gedichten aus. Sie sammmelt Kräuter im Wald und man kann sich sehr gut aus dem ernähren, was die Natur uns bietet.
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Marianne,82
Marianne liebt Gladiolen.
Ihr Mann ist vor einigen Jahren gestorben. Beim Erzählten weint Marianne.
Von der Pflege, vom Blut, von all dem. Sie erzählt von der schlimmen Einsamkeit.
Doch der Wechsel vom Weinen zum Lachen geht schnell. 3 Freundinnen hat sie nun, Witwenfrauen, die sich am Friedhof kennengelernt haben und sich nun eine schöne Zeit machen.
Auf einer gemeinsamen Busfahrt hat eine der Witwenfrauen doch tatsächlich einen 2 Jahre jüngeren Mann kennengelernt . Sie ist gleich mit ihm im Camper in den Urlaub gefahren. „Mit der können wir jetzt nicht mehr rechnen,“ sagt Marianne.
Es gibt aber einen Verehrer in Mariannes Leben. Der hat sie vor kurzen gefragt, ob sie nicht wieder einen Mann wolle. Er habe eine Eigentumswohnung, ein Auto, und könne ihr einiges bieten.
Marianne will aber keinen Mann mehr. Damals als junge Frau, ja, aber nun, hängt ja alles, nein das könne sie sich nicht vorstellen.
Erika, 96
Als die Kinder ausgezogen waren, verlies Erika der Lebensmut.
Dann lernte sie auf einer Adventistenveranstaltung den 40 Jahre jüngeren Iwan aus Bulgarien kennen und seitdem ist Erikas Gesicht voller Strahlen.
Es war eine Win-Win Situation: Erika suchte Gesellschaft und Iwan eine Bleibe. So gründeten sie eine WG in Erikas Wohnung. Iwan zog in Erikas Zimmer und Erika ins Wohnzimmer.
Die beiden sind ein Herz und eine Seele. Aber manchmal kracht es gewaltig zwischen den beiden. Dann kommen die Kinder zum Schlichten.
Erika kann nicht ohne ihren Garten und baut sich ihr Gemüse teilweise noch selbst an. Sie ist schon in zweiter Generation Vegetarierin. "Die Leute haben uns früher für verrückt gehalten, dass wir kein Fleisch essen" sagt sie.
Erika hat schon vor Jahrzehnten vorausgesagt, dass die Menschen eines Tages keine Kuhmilch mehr vertragen werden.
Ihre Gesundheit schreibt sie ihrer gesunden Ernährung zu.
Erika, 66
Erika ist aus Heidelberg, Mutter von vier Kindern und Oma von 4 Enkeln.
Sie lebt noch immer in dem Haus, in dem sie aufgewachsen ist. Seit 4o Jahren arbeitet sie als Tagesmutter.
Zusammen mit ihrem Mann Burghard lebt sie im Kreis ihrer Familie. Der Hof vor ihrem Haus füllt sich ab nachmittags, wenn die Kinder von der Arbeit kommen, zunehmend mit Leben, keiner ist alleine.
Burghard, 77
Burghard kommt aus Riesenburg im ehemaligen Ost-Preußen.
Seine Mutter floh mit ihm und seinen vier älteren Schwestern nach dem Krieg nach Berlin. Sein Lebensweg führte ihn dann nach Heidelberg.
Zusammen mit seiner Frau Erika lebt er in einem grossen Haus mit einem Teil seiner großen Familie. Hunde laufen herum, Enkelkinder plantschen im Hof, es ist immer was los.
Es gibt gemeinsame Essen, verschiedene Generationen leben hier zusammen.
Maria, 69
Es gibt ein schwarz- weisses Fotos von Maria mit einem Hund. Das Bild ist nicht ganz scharf, aber zeigt eine unglaublich erotische und attraktive Frau.
Maria ist aus Paraguay und hat dort ihren deutschen Mann kennengelernt. Mit ihm zog sie nach Deutschland.
Maria hatte im Odenwald eine riesigen, wunderschönen Zaubergarten, voller alten Rosen. Blumen und Pflanzen sind ihre Leidenschaft, ihre Liebe.
Diesen Garten hat sie nicht mehr. Jetzt ist sie oft im wunderschönen Garten ihrer Tochter und pflegt die Pflanzen.